von Elke Eberle

Kinder werden zu Kunst-Experten und Kunst-Scouts für andere

Kinder erleben seit Jahren in der Städtischen Galerie Kunst hautnah. Jetzt werden Kinder der fünften Klasse der Erich Kästner Gemeinschaftsschule in Nellingen zu Kunst-Scouts ausgebildet.

Ein Ziel ist es, dass die Kinder Kunst nicht nur verstehen lernen, sondern ihre Eindrücke und Einblicke auch an andere weitergeben. Am Mittwoch vergangener Woche war die Klasse zu ihrem ersten Besuch in der Galerie. Im Brunnen vor dem Stadthaus bewegt sich seit einigen Tagen gemächlich eine Skulptur von Anja Luithle. Sie strahlt in reinem Weiß, trägt ein ausladendes Kleid, aber sie hat keinen Kopf. Sie ist groß, sie dreht sich, sie scheint zu schweben.


Kunst erweitert den Horizont und gibt Perspektive und sie beflügelt die Phantasie. „Es ist ein großer Gewinn, wenn Kinder Zugang zur Kunst bekommen“, sagte Carola Schmillen-Becker. Sie ist mit ihren Schülerinnen und Schülern im Rahmen des Deutsch- und Kunstunterrichtes regelmäßig zu Gast bei Holle Nann in der Städtischen Galerie. Das Kunst-Scout-Projekt ist für sie ebenso neu wie für die Fünftklässler. Die Kinder sehen viele Dinge ganz überraschend und unvoreingenommen, sie entwickeln viel Phantasie und Kreativität beim Sehen. „Jeder sieht Kunst anders. Es gibt kein Richtig oder Falsch, man kann Aussagen anderer einfach stehen lassen, die Kinder werden so offener im Umgang mit Menschen. Das wirkt sich auch aus auf die Gemeinschaft und das soziale Miteinander“, ist die Lehrerin überzeugt. Mit ihren früheren Klassen hat sie im Lauf der Jahre viele positive Erfahrungen gesammelt. Mit den Älteren besuchte sie auch schon mal die Wagenhallen, das Künstler-Areal, in Stuttgart. Die Erfahrungen im Betrachten von Kunst nehmen die Schüler mit nach Hause, manche der Kinder kommen später auch mit ihren Eltern in die Galerie und in der Schule werden die Eindrücke nachgearbeitet. Im Deutschunterricht bringen die Kinder ihre Eindrücke und Gedanken zu Papier und auch für den Kunstunterricht, für das eigene gestalterische Arbeiten, sammeln sie viele Impulse. Sie lernen es, zu präsentieren, in der Klasse, vor Mitschülern, vor den Eltern und in der Öffentlichkeit. „Ich sehe hier viele Chancen und das hat sich in den letzten Jahren bewiesen“, sagte Schmillen-Becker.
Die Kinder entwickeln nicht nur eine eigene Sicht auf Kunstwerke und die Welt, sie erleben auch, dass sie ihre Sicht auf Kunst auch an andere weitergeben können. „Wichtig ist es uns, dass die Kinder nicht zum Sprachrohr für die Erwachsenen gemacht werden, sondern ihre Sicht auf die Kunst einfließt“, erklärte die Galerieleiterin Nann. Wie genau das aussehen wird, das wird sich erst noch entwickeln. Dass es spannend wird, zeichnet sich aber jetzt schon ab. Kunst mit Worten zu erklären, sei eine Möglichkeit, sagte Nann. Den Kindern fielen noch viele andere ein, ein Junge machte gleich pantomimisch Kopflosigkeit nach, andere fanden die Idee, zu singen und zu tanzen super. Für die Figur im Brunnen fanden sie die unterschiedlichsten Namen, etwa Mid-Lara, Rostaphine, Hochzeitsfrau, Wasserfrau oder weiße Lilie. Die Idee mit der weißen Lilie stammt von der zehn Jahre alten Luzie, „weil sie so weiß ist, könnte sie auch aus dem Schlaraffenland sein und ihre Haut könnte fast so weiß sein wie das Kleid.“ Dass die Figur keinen Kopf hat, hat die Kinder am Anfang schon etwas irritiert, aber nur am Anfang. Tom ist gleich der Film Ghost Busters eingefallen: „Weil das Kleid so besonders ist. Es könnte aus dem Totenreich sein, es schwebt so über dem Wasser.“ Einige der Kinder waren schon früher mit ihren Grundschulklassen in der Galerie, andere waren zum ersten Mal da. Annalena fand den Besuch äußerst spannend: „Weil man Dinge sieht, die man sonst so nicht sieht.“

Die Ausstellung „schöne Aussichten“ von Anja Luithle wird am 23.10. um 11.15 Uhr eröffnet. Alle Interessierten sind herzlich ins Stadthaus eingeladen.